Foto: TVB Wuppertal
Der TVB Wuppertal hat aktuell alle Hände voll zu tun. Sportlich kämpfen die Handballgirls von Cheftrainer Dominik Schlechter um den Klassenerhalt in Liga zwei und abseits der Platte arbeiten die Verantwortlichen des TVB derzeit daran, die Lizenzbedingungen für die kommende Saison zu erfüllen. Wäre all das nicht schon genug Arbeit, tauchten am vergangenen Wochenende einige Gerüchte und Behauptungen auf den Social-Media-Kanälen des Zweitligisten auf. Von „Misswirtschaft“, „Betrug“ und „schlechter Jugendarbeit“ war zu lesen.
frauenhandball.com hat bei Abteilungsleiter Stefan Müller nachgefragt und um eine Einschätzung zu den aktuellsten Themen rund um den TVB gebeten. Müller erzählt im Interview offen und ehrlich über die durchaus angespannte Situation bei den Handballgirls und nimmt Bezug auf die im Internet kursierenden Gerüchte.
Stefan, in den vergangenen Tagen war beim TVB einiges los. Vor allem das Thema „Lizenz“ wurde in den Medien intensiv diskutiert. Wie „dramatisch“ ist die derzeitige Situation beim TVB?
Wir stecken ohne Frage in einer sehr ernsten und angespannten Situation. Wir haben in unserem Saisonetat noch eine Unterdeckung und versuchen derzeit die fehlenden Mittel aufzutreiben. Mit Blick auf die Planung für die kommende Saison ist dies natürlich eine immense Hypothek. Die Corona-Krise hat auch uns enorm getroffen. Unsere Sponsoren mussten ihre finanziellen Zuwendungen deutlich reduzieren, sodass wir unseren Gürtel deutlich enger schnallen müssen.
Im Internet wurde euch aufgrund dieser Probleme auch Misswirtschaft vorgeworfen.
Dieser Vorwurf stimmt einfach nicht. Auch andere Vereine haben mit den Folgen der Corona-Krise zu kämpfen und müssen jeden Euro zweimal umdrehen. Zudem kann ich sagen, dass wir auch schon in den vergangenen Jahren, in denen wir sportlich erfolgreicher waren, das Geld nicht mit vollen Händen rausgeworfen haben. An dieser Stelle möchte ich mich auch auf für das vorbildliche Verhalten unserer Spielerinnen bedanken, die auf große Teile ihres Gehaltes verzichten. Wenn man bedenkt, dass wir in den vergangenen Spielzeiten immer einen sehr kleinen Etat hatten und sicherlich im Vergleich zu den anderen Teams keine Top-Verdienerin im Kader haben, kann man vor unseren Spielerinnen nur den Hut ziehen.
Bis zum 1. März müssen die Lizenzunterlagen eingereicht werden. Wie erwähnt soll vor allem der finanzielle Aspekt die Beantragung erschweren. Kannst du zumindest grob umreißen, welche Punkte noch geklärt werden müssen und welcher Betrag noch fehlt?
Für diese Saison haben wir eine Bürgschaft in Höhe von 30.000 € gestemmt, zudem verlangt die HBF auch schon eine Bürgschaft in der selbe Höhe für die kommende Spielzeit. Dementsprechend müssen wir 60.000 € aufbringen, was das Ganze sicherlich nicht einfacher macht. In den vergangenen Jahren konnte man diese Thematik noch etwas anders regeln. Wir haben also noch einige Themen zu klären.
Auch auf den Social-Media-Kanälen fand man einige Gerüchte und Behauptungen über den TVB. Unter anderem wurde euch vorgeworfen die Jugendarbeit in den letzten Jahren vernachlässigt zu haben. Was kannst du dazu sagen?
Natürlich kann man immer verschiedene Ansicht und Meinungen über die Arbeit bei einem Verein haben. Fakt ist allerdings, dass man die Situation in unserem Unterbau nicht mit den Erfolgen aus anderen Zeiten vergleichen kann. Heute ist es viel viel schwieriger geworden erfolgreiche Jugendarbeit zu leisten. Die Bereitschaft im Verein Sport zu treiben wird immer geringer. Hinzu kommt die Tatsache, dass wir auch in den vergangenen Jahren nicht konstant große Erfolge mit unseren Jugendmannschaften gefeiert haben, sondern immer mal wieder einen guten Jahrgang dabei hatten.
Auch die Konkurrenz in eurer näheren Umgebung dürfte eine Rolle spielen.
Absolut. Es gibt nun eine große Anzahl von Vereinen, die finanziell und infrastrukturell ganz andere Voraussetzungen haben. Die größeren Klubs graben den kleineren immer mehr das Wasser ab. Wenn wir mal ein Talent in unserer Jugend haben, können Vereine wie der BHC oder Bayer Leverkusen mit ganz anderen Möglichkeiten locken. Sei es ein Internat oder bessere Trainingsmöglichkeiten. Dennoch haben wir in unserem Jugendbereich hoch engagierte Trainer, die mit viel Leidenschaft in der Halle stehen und unseren Nachwuchs ausbilden. Wir haben für unsere Verhältnisse eine normale Jugendarbeit und mit unseren Mitteln versuchen wir das Beste daraus zu machen. Gleichwohl können wir nie mit den größeren Klubs mithalten.
Darüber hinaus heißt es, dass ihr Spielerinnen Monatsgehälter schuldig geblieben seid. In diesem Zusammenhang war auch von Betrug die Rede. Solche Behauptungen sind natürlich immer mit einer gewissen Portion Vorsicht zu genießen. Kannst du da etwas Aufklärungsarbeit leisten?
Von solchen Gerüchten distanzieren wir uns deutlich und ich möchte an dieser Stelle klar sagen, dass da überhaupt nichts dran ist. Wir haben keine Spielerin um Monatsgehälter betrogen. Solche Gerüchte können den Ruf unseres Vereins nachhaltig massiv beschädigen und deshalb gehe ich gerne etwas konkreter darauf ein: Als die vergangene Saison aufgrund der Pandemie beendet wurde, haben wir mit unseren Spielerinnen Auflösungsverträge geschlossen. Da von jetzt auf gleich kein Trainings- und Spielbetrieb mehr stattfand, haben wir uns für dieses Vorgehen entschieden und keine Gehälter mehr bezahlt. Dies war in dieser Phase übrigens kein Einzelfall, auch andere Vereine sind so vorgegangen. Allein die Tatsache, dass in unserem aktuellen Kader noch viele Spielerinnen stehen, die all das miterlebt haben, dürfte für sich sprechen.
Wie du bereits erwähnt hast können solche Gerüchte natürlich auch Schaden anrichten.
Es ist einfach nur unverschämt, wenn solche Unwahrheiten in Umlauf gebracht werden. Wenn man unsere begrenzten finanziellen Mittel kennt und in solch einer Situation kein Verständnis für unser gerade eben beschriebenes Vorgehen hat und dann so etwas behauptet wird, ist das sehr bedauerlich.
Außerdem war bei der EHF zu lesen, dass der Transfer von Nika Matavs zum TVB nicht ganz korrekt abgelaufen sei. Demnach fordert der ehemalige Verein von Matavs, Boden Handboll IF, eine sogenannte Ausbildungsentschädigung. Wie ist der Stand bei diesem Thema?
Dieser Punkt wurde ja auch über die Social-Media-Kanäle verbreitet und größer gemacht als es überhaupt ist. Dieses Problem zieht sich schon über einen längeren Zeitraum. Es ist richtig, dass Boden Handboll IF eine Ausbildungsentschädigung für Nika Matavs fordert. Dazu muss man wissen, dass wir im Sommer die bei einem solchen Transfer üblichen Gebühren gezahlt haben. Nach einiger Zeit kam dann eine Rechnung von Boden Handboll IF über 3.500 €, bezüglich einer Ausbildungsvergütung. Diese Vergütung sind wir nicht bereit zu zahlen, da der Vertrag von Nika ausgelaufen war und sie ohnehin nur vier Monate in Schweden gespielt hat. Das Widerspricht schließlich auch dem Bosman-Urteil, welches besagt, dass Profisportler innerhalb der EU nach Ablauf ihres Vertrages ablösefrei wechseln dürfen. Wir haben uns bei anderen Vereinen umgehört, wie zum Beispiel bei den Luchsen, die einen fast identischen Fall hatten und sich dann außergerichtlich mit dem betreffenden Verein geeinigt haben. Wir haben Boden Handboll ein ähnliches Angebot vorgeschlagen, allerdings wurde dieses abgelehnt. Daraufhin haben wir einen Anwalt eingeschaltet und auch mit verschiedenen Fachleuten gesprochen, die das ganze Thema ähnlich einschätzt wie wir. All das ist derzeit ein schwebendes Verfahren, sodass die EHF uns erstmal verboten hat internationale Transfers zu tätigen.
Abschließend darf natürlich auch eine Frage zum sportlichen Bereich nicht fehlen. Unabhängig von der Lizenz muss ja schließlich auch sportlich die Klasse gehalten werden. Wie groß sind deine Hoffnungen, am Ende der Saison zweitklassig zu bleiben?
Wir tun uns im Moment sehr schwer, zudem fehlen uns wichtige Spielerinnen. Sei es Michelle Stefes oder Jule Kürten, die sich bisher toll entwickelt hat. Hinzu kommt nun auch der Ausfall von Anna Lena Bergmann, die mindestens 1-2 Wochen fehlen wird.
Spricht im Moment also alles gegen den TVB?
Nein, dass auf keinen Fall. Natürlich haben wir in den vergangenen Wochen gegen Mannschaften gespielt, gegen die wir auch hätten punkten können. Wir müssen nun Punkte holen und darauf hoffen, dass unsere verletzten Spielerinnen zeitnah wieder einsatzbereit sind. In den nächsten Spielen ist durchaus etwas möglich für uns. Seien es die Heimspiele gegen Waiblingen und Nürtingen, oder die Auswärtsspiele gegen Rödertal und Harrislee. Auch wenn es derzeit noch unklar ist ob tatsächlich drei Mannschaften aus der 2. Liga absteigen, wollen wir am Saisonende über dem Strich stehen.