Foto: Detlef Gottwald

Als neuer Trainer der Waiblingen Tigers befindet sich Thomas Zeitz mit seiner Mannschaft derzeit mitten in der Vorbereitung auf die kommende Saison. Der Zweitligist aus Waiblingen fand mit Zeitz einen Nachfolger für den in die Schweiz abgewanderten Nicolaj Andersson. frauenhandball.com hat mit dem neuen Coach der Tigers ausführlich über seine Arbeit in der Handballhochburg Baden-Württemberg gesprochen.

Dezember 2015: Thomas Zeitz übernimmt die kriselnden Meenzer Dynamites. Mai 2019: Thomas Zeitz führt die Dynamites in die Bundesliga. Innerhalb von knapp fünf Jahren gelang Thomas Zeitz mit einer jungen und talentierten Mannschaft der Aufstieg in die erste Bundesliga. Zudem entwickelte der Cheftrainer gemeinsam mit den Verantwortlichen der Meenzer Dynamites ein nachhaltiges Konzept, um den Frauenhandball in Mainz dauerhaft zu etablieren. Nach einer durchaus erfolgreichen Premieren-Saison in der 1. Bundesliga, entschloss sich Zeitz im Januar 2020 Mainz nach Ablauf der Saison zu verlassen und sich den Waiblingen Tigers anzuschließen. Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung, wird der 46-jährige nun bei den Tigers ein neues Kapitel in seiner Trainerlaufbahn einschlagen. Über dieses Kapitel und der spannenden Aufgabe in Waiblingen, hat Thomas Zeitz im Gespräch mit frauenhandball.com gesprochen.

Herr Zeitz, starten wir direkt mit einer aktuellen Frage: Wie läuft die Saisonvorbereitung bei den Waiblingen Tigers und welchen Eindruck macht das Team auf Sie?

Hallo, erst einmal herzlichen Dank für die Interview-Anfrage. Die Vorbereitung läuft bis dato gut. Das Team ist sehr fokussiert und engagiert bei der Sache und ich denke wir haben auch den nötigen Spaß, bei all dem Schweiß, der regelmäßig in der Vorbereitung vergossen wird. Die Neuzugänge sind sehr schnell integriert worden und nach den bisherigen Eindrücken kann man durchaus davon sprechen, dass es menschlich passt. Wir haben viel zu tun, aber alle sind mit 100% dabei und das ist eine gute Grundlage.

Mussten Sie, mal abgesehen von den Hygienevorgaben, etwas grundlegendes in ihrer Vorbereitung aufgrund der Corona-Situation ändern? Handballspezifische und Konditionelle Dinge konnten Sie sicherlich auch trotz Corona trainieren.

Wir konnten am 6. Juli voll in die Vorbereitung starten, sieht man von den nötigen und üblichen Hygienevorgaben ab. Trotzdem ist die Aufgabe für uns Trainer sicherlich etwas anders als in der Vergangenheit. Eine solch lange Handballpause haben sonst nur Langzeitverletzte Spielerinnen, die dann je nach Verletzung mit einem entsprechend abgestimmten Reha-Programm wieder in den Trainingsalltag zurückkehren. Zu Beginn dieser Saison sind aber nahezu alle Spielerinnen mit einer fast vier monatigen Handballpause aufs Parkett zurückgekehrt. Dementsprechend muss man natürlich die handballspezifische Belastung anders steuern und die Spielerinnen Schritt für Schritt wieder an den „normalen“ Handballalltag heranführen. Man kann so viel Kräftigung und Stabi machen wie man will, man kann etliche Kilometer in den verschiedensten Formen laufen, aber die Belastung in einem Spiel und die handballspezifischen Bewegungen unter Belastung und Gegendruck, sprich Körperkontakt, kannst du schlecht bis gar nicht simulieren. Da ist eine vernünftige Trainingssteuerung gefragt, zumal die athletischen Voraussetzungen in der Zeit von Mitte März bis Anfang Juli so ziemlich jeder zur Genüge trainiert hat. Dementsprechend haben wir uns darum bemüht, einen guten Einstieg in unser täglich Brot, sprich das Handball spielen, zu erlangen.

Nach knapp fünf Jahren beim 1. FSV Mainz 05, haben Sie sich für den Schritt in Liga zwei nach Waiblingen entschieden. Wie haben Sie sich eingelebt?

Ich habe mich gut eingelebt, danke der Nachfrage. Ich bin aber auch ein genügsamer Typ. Wichtig sind dann in erster Linie doch die Voraussetzungen für ein möglichst optimalen Ablauf im Rahmen meiner Tätigkeit. Und diese sind in Waiblingen vorhanden. Zudem haben es mir die Verantwortlichen und die Mannschaft leicht gemacht, mich einzuleben.

Wo lagen bisher die Schwerpunkte in ihrer Arbeit? Als neuer Trainer muss man sicherlich nicht nur die eigene Mannschaft von seiner Idee überzeugen, sondern auch das Umfeld.

Für uns geht es erst einmal darum, uns in der täglichen Arbeit kennenzulernen und aneinander zu gewöhnen. Und die so genannten Ideen oder Vorstellungen entwickeln sich genau so wie sich auch die Beziehung entwickelt. Das ist ein Prozess, der mal schneller und mal weniger schnell anläuft und auch über die gesamte Zeit bleibt. Für mich ist wichtig, dass wir zusammen einen Weg finden, wie wir spielen, wie wir uns präsentieren wollen. Die besten Ideen eines einzelnen nützen nur wenig, wenn der Rest davon nicht überzeugt ist. Überzeugt werden kann man am besten durch Erfahrungen. Wir haben gerade erst begonnen, genau diese Erfahrungen zu machen. Das Umfeld zu überzeugen ist demnach auch nicht meine Aufgabe, die im Vordergrund steht. Es lässt sich am besten dadurch überzeugen, dass es Teil dieses Prozesses ist oder wird und die Erfahrungen mitmacht. Ein Umfeld, welches eine aktive, positive und überzeugte Mannschaft erlebt, die alles gibt, Spaß und am besten auch noch Erfolg hat, überzeugt das Umfeld am besten.

Sie haben ihren Wechsel nach Waiblingen auch damit begründet, eine neue Herausforderung annehmen zu wollen. War das Potenzial der Meenzer Dynamites mit dem Aufstieg in die Bundesliga und einer durchaus ordentlichen Premieren-Saison einfach ausgeschöpft?

Ja, dass habe ich auch schon mehrfach gesagt. Mainz 05 hat sicherlich noch Potenzial, aber nach 4 1⁄2 Jahren war für mich einfach der Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr die Kraft und Motivation hatte, diesen Weg dort weiter zu gehen. Das ist aber nicht wirklich etwas ungewöhnliches, wie ich finde. Ich hatte dort eine fantastische Zeit und wir haben einen tollen Erfolg gefeiert. Jetzt möchte ich alles tun, um in Waiblingen ebenfalls eine fantastische Zeit zu haben und im optimalen Fall einen ebenso tollen Erfolg zu feiern oder gerne auch mehrere. Ob das gelingt hängt von vielen verschiedenen Dingen ab und wird sich in der Zukunft zeigen.

Auch in Waiblingen arbeiten Sie wieder mit einer jungen Mannschaft. Wofür sollen die Tigers in der nächsten Saison stehen?

Wie Sie ganz richtig sagen, stehen die Tigers ja schon dafür jungen Talenten eine Chance zu geben und das soll auch in Zukunft so sein. Und wenn es nach mir geht dürfen bei der Aufzählung der Attribute der Tigers nächste Saison gerne mutig, frech, offensiv, attraktiv und erfolgreich stehen. Dafür ist aber am allerwichtigsten, dass die Tigers auch nächste Saison wieder dafür stehen ein Team zu sein, was zusammen durch Dick und Dünn geht. Das ist die Grundvoraussetzung von allem und mein vordergründigster Job. Zusammen als Team können wir viel erreichen.

Die neue Aufgabe in Waiblingen und der zweiten Liga wird durchaus anspruchsvoll. Gerade in der zweiten Liga spielen die Teams entweder gegen den Abstieg oder um den Aufstieg. Was kann man von ihrem Kader erwarten?

Zum Zeitpunkt des Abbruchs waren die Tigers letzte Saison auf dem 4. Platz. Mit Mandy Hoogenboom und Tina Welter haben zwei Spielerinnen die Tigers schon im Laufe der Runde verlassen. Nach Beendigung der vergangenen Saison kamen Laura Pavic und Ann Kynast dazu. Letztere war eine der tragenden Säulen der Tigers und knapp an der Hälfte alles Angriffsaktionen beteiligt. Auf der Torhüter-Position haben wir mit Branka Zec enorm an Qualität und Erfahrung dazu gewonnen. Zudem ist mit Vivien David noch eine junge talentierte Torhüterin hinzugekommen, so dass wir durchaus davon sprechen können, auf dieser Position noch ein Stück besser und variabler besetzt zu sein. Mit Judith Tietjen aus der Talent-Schmiede von Bad Schwartau und Mariel Wulf von Borussia Dortmund haben wir zwei sehr talentierte Spielerinnen mit ganz unterschiedlichen Qualitäten dazu gewonnen. Beide haben sehr viel Potenzial und machen schon jetzt Freude auf mehr. Zu guter Letzt haben wir als Ersatz für Ann Kynast mit Lucija Zeba eine ebenfalls junge talentierte Spielerin dazu gewonnen, die im ersten Jahr in Deutschland bei der Neckarsulmer Sport-Union etwas Pech mit Verletzungen hatte und sich jetzt bei uns durchsetzen möchte. Auch Lucy hat sehr viel Talent, wird aber sicherlich ein wenig Zeit benötigen um das Selbstvertrauen und die Selbstverständlichkeit zu erlangen, die es braucht um Ann zu ersetzen.

Klingt so, als wären Sie mit der Kaderzusammenstellung zufrieden.

Alles in allem hat sich das Gesicht des Teams nicht grundlegend verändert, die spielerische Ausrichtung wird sich aber wohl verändern. Das braucht entsprechend Zeit und geht nicht von heute auf morgen. Da sowohl die Mannschaft als auch der Verein und letztlich auch ich aber einen gewissen Anspruch an uns selbst haben, soll die Richtung der Tigers weiter nach oben gehen. Wie das im Detail aussieht, wie schnell es geht und wohin, auch das wird die Zukunft zeigen.

Mit dem Wechsel nach Waiblingen haben Sie sich auch für eine handballbegeisterte Region entschieden. Sicherlich haben Sie sich auch mit den Verantwortlichen der Tigers nicht nur ein kurzfristiges Ziel gesetzt. Was soll sich in Waiblingen langfristig unter Ihrer Regie entwickeln?

Es war einer der Gründe für mich nach Waiblingen zu gehen. Baden Württemberg ist momentan die Hochburg des Frauenhandballs und Waiblingen war und ist ein Teil davon. Wir wollen zusammen die Tigers weiter entwickeln und so aufstellen, dass auch die 1. Liga erreichbar und vor allem nachhaltig spielbar ist. Dafür eine genaue Zeitschiene auszugeben halte ich gerade in Zeiten von Corona mit all seinen Folgen für unseriös. Fakt ist, dass die Voraussetzungen in Waiblingen gut sind und der Verein auch vor meinem Amtsantritt schon auf diesem Weg war und auch nach mir diesen Weg weiter gehen wird. Ich habe nicht vor, den Verein von dem Weg abzubringen oder zu bremsen, dementsprechend werden wir jetzt die kommende Strecke möglichst lange zusammen gehen und versuchen, den vor uns liegenden Weg möglichst optimal zu meistern und das eine oder andere Etappenziel zusammen zu erreichen. Wohin der Weg führt und wie schnell wir die Strecke meistern und die Etappenziele erreichen werden, wird sich zeigen und liegt daran, wie gut wir zusammen arbeiten werden. Ein guter Anfang ist in jedem Fall gemacht.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die kommende Saison.